Sonntag, 21. Februar 2010

'Lass uns reden': wie Homosexuelle in der Kirche ankommen

Im Dachcafé der Frankfurter Zeil wurde zu einer Diskussionsrunde mit zwei Vertretern der Landeskirchen eingeladen: Dr. Kerstin Söderblom von der Evang. Kirche und Dr. Norbert Reck von der kath. Kirche. Der Abend wurde von hr-Moderator Meinhard Schmidt-Degenhardt geleitet.

Söderblom berichtete vom Tabubruch der 70er Jahre, als sich die Kirche langsam in den Dialog mit homosexuellen Christen wagte. In den Gremien und Synoden wurde nach theologischen und ethischen Lösungen gesucht, spätestens seit dem Lebenspartnerschaftgesetz 2001 mussten sich die Kirchen auch über Segnungsgottesdienste Gedanken machen. Mehrere Synoden der ev. Landeskirchen haben seit 2003 dazu ein "ja" gefunden. Das bedeute aber nicht, dass die evang. Kirche damit eine klare Linie fahre, denn viele Christen sind entweder gleichgültig oder stark ablehnend eingestellt, besonders evangelikal-konservative Kreise drohten seit dem Tabubruch mit Kirchenaustritten. Die evang. Kirche setze sich gegen die aufkommende Doppelmoral ein, um die Gerechtigkeit und Liebe Gottes auch heute glaubwürdig nach außen zu tragen. Söderblum appellierte, aktiv in der Gesellschaft Gesicht zu zeigen, damit die Thematik ernstzunehmend bliebe, und folgt so dem Ansatz der Befreiungstheologie: Aufklärungsveranstaltungen in Schulen, Kirchen und Jugendgruppen werden auch in Zukunft unerlässlich bleiben.

Reck fing in seinem Rückblick eine ganze Ecke früher an: Er stellte fest, dass das Einteilen von "2 Sorten von Menschen", nämlich den Hetero- und Homosexuellen Menschen, bereits ins 11. Jahrhundert zurückreicht. Damals war man der Überzeugung, dass jeder Mensch zwar gleich sei, sich aber unterschiedlich verhalte. Petrus Damiani prägte als erster den Begriff "Sodomie", der sich vom Namen Sodoms der berüchtigten alttestamentarischen Stadt ableitete, für eine andere Sorte von Menschen, die als dreckig, provozierend und weibisch galt. Erst 1869 wird der Begriff "Homosexualität" von Karl Maria Benkert erfunden. Der Begriff sollte zwar als naturwissenschaftlicher Terminus den bisherigen ersetzen, unterstützte aber damit das 2-Klassen-Denken von den "Opfern" von Hormonen und Genetik. Heute ist der Begriff "Homosexualität" von der Wissenschaft abgeschafft, es gibt stattdessen den Terminus "gleichgeschlechtliches Verhalten", was somit für Homosexuelle die Chance bringt, umzudenken von einem "Opfer"-Denken zu einem "Freiheits"-Denken, das zu tun, was man möchte, was jeder andere Mensch auch in Freiheit tun darf.

Eine "Klasse der Homosexuellen" gebe es nicht, sie sind einfach wie sie sind, aber keine andere "Sorte" von Mensch, schloss Reck seine Ausführungen ab. Ihre eigenen Wünsche stünden ihnen genauso zu wie jedem anderen Mensch auch, und dagegen gebe es keine ethischen oder moralischen Gründe einzuwenden. Söderblom verwies auf die evangelische Kirche als Ort der Begegnung, in dem es stets gilt, ihn aktiv mitzugestalten. Indem Menschen sich begegnen, miteinander reden und ihre Anliegen kreativ und ausdrucksstark ausdrücken, wird Akzeptanz und Nächstenliebe möglich. Die Evangelische Kirche sei schon immer eine reformstarke Kirche gewesen.

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