Sonntag, 22. März 2009

ethos: "Homosexualität ist psychosexuelle Unreife"

Ein vor längerer Zeit erschienener Artikel in der schweizerischen christlichen Zeitschrift ethos diagnostiziert Homosexualität als psychosexuelle Entwicklungsstörung, der man allerdings in Kindheits- und Jugendtagen präventiv entgegenwirken könne, z.B. durch eine "dauerhafte, liebevolle Vater-Sohn-Beziehung". So wird Homosexualität als Krankheit dargestellt, die einen Menschen unreif und somit auch unglücklich mache. Die Zeitschrift stützt sich dabei auf die pseudowissenschaftliche Vereinigung NARTH, die konstatiert, dass durch des fehlenden Beweises eines Schwulengens Homosexualität nicht vererbbar sei, und daher also als antrainiert zu sehen sei: Gerade durch das Internet könne der "sexuell verunsicherte Jugendliche" mittels Pro-Gay-Organisationen an pornografische Schriften geraten, die den Jugendlichen nicht mehr loslassen würden, homosexuelle Suchtverhaltensweisen seien die Folge.

Wie drastisch solche "Erkenntnisse" auf Jugendliche wirken können, die durch die gepredigte Homophobie gelernt haben sich selbst abzulehnen und zu hassen, wird durch die Selbstmordrate unter Jugendlichen immer wieder deutlich: Homosexuelle Jugendliche tragen ein bis zu 4-fach höheres Risiko sich umzubringen. Das nicht, weil sie etwa "süchtig" seien oder "unreif", sondern weil Institutionen wie Kirchen oder gesellschaftliche Einrichtungen ihnen derartige unwissenschaftliche Berichte präsentieren, die ein gruseliges und perverses Bild von Homosexualität zeichnen. Dementsprechend veröffentlicht dazu ein junger Internetblogger sein Erstaunen über diesen Artikel hier in seinem Blog:
ich glaub, ich bin schon homosexuell, muss ich mich jetzt schlecht fühlen?

Ja! Und zwar ganz gewaltig du perverse Sau. Wenn du nicht schnellstens wieder “normal” wirst hat Gott dich nichtmehr sonderlich lieb - sagt zumindest die Bibel. Außerdem bist du genau wie ein Alkoholiker (!) - du müsstest nur mehr an deinem Willen arbeiten und dich nicht immer deinen Lüsten hingeben.

Sonntag, 15. März 2009

Kritik an christlichem Fundamentalismus - Buch erschienen

Die beiden NDR-Redakteure Oda Lambrecht und Christian Baars recherchierten mehrere Jahre intensiv in evangelikalen Kreisen, warum gerade dort christlicher Fundamentalismus aufblühen kann und für andere sogar bedrohlich werden kann. Das Ergebnis ist das eben erschienene Buch "Mission Gottesreich - Fundamentalistische Christen in Deutschland". Auf dem Cover sieht man einen brüllenden Reinhard Bonnke, der in einem Stadion von tausenden Anhängern umjubelt wird. Dazu die Autoren:
Wir haben zahlreiche fundamentalistische Gemeinden und Veranstaltungen besucht, mit Gemeindemitgliedern, Aussteigern, Predigern und Theologen gesprochen, Internetforen beobachtet, viele Bücher und Zeitschriften von bibeltreuen Christen gelesen, unzählige Predigten gehört. Das Buch zeigt die Arbeit und Ziele von Gemeinden, Vereinen, Missionswerken und Lobbygruppen in Deutschland. Wir berichten über autoritäre Strukturen, angebliche Wunderheilungen und Dämonenaustreibungen, genauso wie über Intoleranz, Wissenschaftskritik und aggressive Mission. Und wir haben Vertreter der "Evangelischen Kirche in Deutschland" (EKD) gefragt, warum sie sich nicht deutlicher von diesen radikalen Positionen abgrenzen.

Unter der Überschrift "Keine Akzeptanz für Homosexualität" liest man:
Der evangelikale Theologe Friedhelm Jung zum Beispiel schreibt: "Evangelikale sind davon überzeugt, dass eine Gesellschaft untergehen wird, die Homosexualität als normal erklärt und gleichberechtigt neben Heterosexualität stehen lässt." Auch der Vorsitzende des evangelikalen Dachverbandes "Deutsche Evangelische Allianz", Jürgen Werth, ist der Meinung, dass Homosexualität nicht dem "schöpfungsgemäßen Auftrag des Menschen" entspreche. Aus seiner Sicht sind Menschen dazu da, die Erde zu "verwalten" und sich zu "mehren". Das ginge in homosexuellen Partnerschaften weder bei Männern noch bei Frauen.
Viele christliche Fundamentalisten stellen Homosexualität als Leiden oder Störung dar und werben für "Therapien", die eine "Veränderung" der sexuellen Orientierung bewirken. Auch der "Allianz"-Vorsitzende Jürgen Werth glaubt daran, dass Homosexualität veränderbar sei und dass man diese Möglichkeit auch keinem verweigern dürfe. Er kenne Menschen, bei denen es eine Veränderung gegeben habe, so Werth. Wie tief die gehe, könne er natürlich nicht beurteilen. Der "Bund Freier evangelischer Gemeinden" (BFeG) meint, Homosexualität sei ein psychisches Problem. "Am überzeugendsten erscheint uns nach wie vor die Erklärung, Homosexualität als Störung in der komplexen Entwicklung der Geschlechtsidentität zu verstehen." Zahlreiche Homosexuelle würden unter ihrer Neigung leiden und Veränderung suchen. Auch der "Arbeitskreis für Geistliche Gemeindeerneuerung" (AGG), eine Gruppe von Evangelikalen in den evangelischen Landeskirchen, verurteilt Homosexualität als Sünde und schreibt in einer Stellungnahme, dass Heilung von einer homosexuellen Veranlagung möglich sei. Dies würden Tatsachenprotokolle Betroffener und Erfahrungen wissenschaftlicher Therapeuten belegen.

Idea fasst in groben Zügen den Inhalt des Buches zusammen, interessant sind vor allem die von großteils fundamentalistischen Evangelikalen geschriebenen Kommentare: kaum ein Schreiber geht in seiner Kritik inhaltlich auf das Buch ein, man rechtfertigt sich etwas unbeholfen mit Bibelzitaten.

Nachtrag: Der NDR berichtet über den evangelikalen Lobbyismus in seiner Sendung ZAPP.

Freitag, 13. März 2009

Deutsche Exgay-Organisationen treten in Marburg auf

Vom 20. bis 24. Mai 2009 lädt die Akademie für Psychotherapie und Seelsorge e.V. in Marburg zum 6. Internationalen Kongress für Psychotherapie und Seelsorge ein. Unter einer ganzen Reihe von eingeladenen Rednern finden sich auch Namen von selbsternannten Therapeuten und Publizisten aus dem christlichen Spektrum, die ihre Klienten zur Umpolung ermutigen und sie dabei begleiten: Markus Hoffmann (Wüstenstrom), Michael Gerlach, Christl Ruth Vonholdt (DIJG), Roland Werner, Rolf Trauernicht (Weißes Kreuz).
Thema des Kongresses lautet: "Identität - der rote Faden in meinem Leben". Da wir nun schon lange wissen, dass Leute wie Markus Hoffmann oder Christl Vonholdt die eigene Homosexualität niemals als identitätsstiftend bezeichnen würden, bleibt die bange Frage, wie groß der Schaden dieses Kongresses für all die homosexuell betroffenen Menschen sein dürfte, die sich durch das verbreitete homosexuellfeindliche und pseudowissenschaftliche Gedankengut dadurch eher minderwertig und krank fühlen dürften. Deshalb wäre das Leitthema unter der Bezeichnung "homosexuelle Identität - das rote Tuch in meinem Leben" weitaus treffender, meint zumindest der Blog gaywest.
Vorsitzender der Marburger Akademie ist Dr. Martin Grabe, Chefarzt der Psychotherapeutischen Klinik Hohemark in Oberursel, Träger ist der christliche Deutsche Gemeinschafts-Diakonieverband (DGD) GmbH, Marburg.

Kommentiert: Gaywest: das rote Tuch

Montag, 9. März 2009

Doku: Going Straight - Hetero durch Umerziehung

Der TV-Sender TIMM strahlte letzten Dezember und Februar die Dokumentation über eine Gruppe homosexueller Männer aus, die in ihrem christlichen Verständnis alles dafür tun, von ihrer "Perversion" der Homosexualität wegzukommen. Ein englisches Kamerateam begleitete für kurze Zeit eine Gruppe umpolungswilliger Männer in ihrem Programm von Exodus, Amerikas größter Umpolungsorganisation, und der Zuschauer erhält auf beklemmende Weise Einblicke in die Art und Weise, wie Exodus mit Männern umgeht, die bereit sind, wirklich alles dafür zu tun, um von ihrer Orientierung befreit zu werden.
Ein Trend in christlich-fundamentalistischen Zirkeln der USA stellt die Bekehrung Schwuler zur Heterosexualität dar. Wie dies genau gehen soll, sprich wie Menschen gegen ihre Sexualität ankämpfen und um jeden Preis "normal" werden wollen, veranschaulichen einige Fallbeispiele in dieser Dokumentation: Da wäre z.B. Greg, der 20 Jahre offen schwul gelebt hat, und auf einmal glaubt, dass er Gott etwas schulde, da dieser ihn bislang vor einem Aidstod bewahrte. Als Dank lässt er sich in einem christlichen Umerziehungsprogramm "umpolen". Auch in anderen Fällen scheint es Bedarf für solche Maßnahmen zu geben – etwa wenn homosexuelle Familienväter darin die letzte Chance sehen, ihre Ehe zu retten.

Going Straight - Hetero durch Umerziehung Teil 1


Going Straight - Hetero durch Umerziehung Teil 2


Going Straight - Hetero durch Umerziehung Teil 3


Going Straight - Hetero durch Umerziehung Teil 4


Diskussion dazu im TIMM-Forum

Sonntag, 8. März 2009

AMOS-Preis 2009 für Dr. Leistner

Heute um 12 Uhr verleiht die kirchenpolitische Vereinigung Offene Kirche den mit 5000 Euro dotierten AMOS-Preis für Zivilcourage in Religion, Kirche und Gesellschaft der Sozialpädagogin Dr. Herta Leistner aus Ütteroda (Thüringen) für ihre Verdienste um die Wahrnehmung und Interessenvertretung homosexueller Menschen in den Kirchen. Leistner habe als eine der ersten kirchlichen Mitarbeiterinnen das Schweigen um die Realität homosexueller Existenz auch in der Kirche gebrochen. Mit ihrem Buch „Hättest Du gedacht, dass wir so viele sind?“ habe sie Tausenden von anderen Menschen geholfen, ihr Doppelleben in der Kirche zu überdenken und zu verändern. Die Preisverleihung findet in der Stuttgarter Erlöserkirche statt.
Nachtrag: gewohnt kritisch äußert sich dazu das Nachrichtenmagazin idea.