Mittwoch, 1. Juni 2011

Michael Bussee über seine Erfahrungen als Ex-Gay

Vor einiger Zeit erschien auf Daniel Gonzales' Blog eine Videoserie mit Michael Bussee, dem ehemaligen Mitbegründer der Dachorganisation "Exodus International", deren Ziel es ist, Menschen von ihrer homosexuellen Orientierung zu einer heterosexuellen Orientierung zu transformieren.

Michael Bussee erklärt in den Interviews, warum er damals so von der Ex-Gay-Idee überzeugt war: Durch spirituelle Erfahrungen wurden die homoerotischen Gefühle ein Stück weit verdrängt, die Ideologie und Gemeinschaft mit anderen Ex-Gays begeisterte ihn. Er verstand dies tatsächlich als einen Veränderungsprozess. Diese Art der Verdrängung seiner Sexualität hielt er 2 Jahre lang durch.

"Die anfängliche Begeisterung, ein Umpolerprogramm zu starten"

Exodus versuchte ursprünglich zwar politisch neutral zu bleiben, fand aber recht schnell in christlichen Anti-Gay Gruppierungen und im rechten Flügel finanzielle Unterstützung.

"Es war für Exodus ein großer Fehler politisch zu werden"

Bussee berichtet über die unprofessionellen Methoden, die von den unterschiedlichen Exodus-Einrichtungen angewandt wurden: die einzelnen Leiter - allesamt Laien - versuchten sich in Gesprächsgruppen, Gestalttherapieformen, Visualisierungsübungen, Wegbeten, Bibelgruppen, Exorzismus. Der psychologische Effekt blieb aber aus, also musste auf Gottes wundersames Eingreifen vertraut werden.

"Es gab keine echten Standards für Therapie oder Methodik"

Der Ausstieg aus der eigenen Umpoler-Organisation war für Bussee nicht leicht - und er erinnert daran, dass auch für heutige Aussteiger die Konsequenzen keine einfachen sind: der Erwartungsdruck des Umfelds, die Enttäuschung von Angehörigen, Kirchgemeinden die sich abwenden. Die Angst vor Verletzungen und Ablehnung kann Menschen in Umpolgruppen festhalten.

"Als wir Exodus verließen waren wir selbst verlassen"

Vor Gay-Aktivisten hatte man großen Respekt. Es ging die Angst um, dass solche Aktivisten als Terroristen in Versammlungen platzen und Schaden verbreiten könnten. Um so überraschter war Bussee, als er in einer Veranstaltung Gay-Aktivisten begegnete, die lächelten und sich über seinen Vortrag bei ihm bedankten.

"Gay-Aktivisten ängstigten und faszinierten uns gleichermaßen"

Im Nachhinein bereut Bussee, dass er nach seinem Ausstieg aus Exodus zu lange geschwiegen hat. Erst Anfang der 90er Jahre wurde seine Geschichte in der Dokumentation "One Nation Under God" verfilmt.

'Michael Bussee, an deinen Händen klebt Blut!'

Innerhalb der Exodus-Gruppen hat man sich an ein schwarz-weißes Weltbild gewöhnt. Alles was gegen Exodus sprach war demzufolge antichristlich. Dass es durchaus Christen gab, die ihren Glauben mit ihrer Sexualität verbinden konnten wurde ignoriert. Seit vielen Jahren existiert ein weltweites Netzwerk ehemaliger Ex-Gays, es gibt in vielen Ländern christliche unterstützende Gruppen, Facebookgruppen und Diskussionsrunden. In Deutschland wäre Zwischenraum hervorzuheben.

"Wir kannten keine Alternative für schwule Christen"

Eines der Kerninhalte der Lehren von Exodus war, anzunehmen, dass Homosexualität im wesentlichen durch schlechte Eltern verursacht würde. Ein Vater, der sich zu wenig um seinen Sohn kümmerte, würde ihn schwul werden lassen. Bussee verdrängte durch diese Ideologie die Tatsache, dass sein eigener Vater sehr wohl ein liebevoller und gutmeinender Vater war. Es hat ihn lange Zeit gekostet, wieder ein positives Vaterbild aufzubauen.

"Ich bereuhe meine Lehre, Schwulsein entstünde durch schlechte Erziehung"

Bussee vertrat die Ansicht eines christlichen Wohlstandsevangeliums, das ein glückliches Leben verspricht wenn man nur an Christus glaubt. Daraus entwickelte sich die Idee, dass mit einem festen Glauben alles möglich sei: wer nur stark genug glaube, verbissen genug die Bibel lese und Christus streng genug nachfolge wäre veränderbar. Heute glaubt Bussee nicht mehr daran, dass die Bibel ein Leben voller Freude, Gesundheit und Wohlstand garantiere, wenn man nur eifrig genug Gott nachfolge. Vielmehr zeichnet sich für ihn Nachfolgeschaft aus durch Versuchungen, Leid und Anklagen.

"Ich bereuhe meine Lehre, dass Veränderung für denjenigen möglich sei der nur stark genug glaubt"

Eine traurige Tatsache ist, dass Ex-Gays nach Beenden oder Abbrechen eines Umpolprogramms stets alleine gelassen werden und kein "Follow-Up"-Programm existiert, das für eine Qualitätssicherung eigentlich nötig wäre. Diese Ex-Gays verschwinden einfach von der Bildfläche. Ob sie glückliche heterosexuelle Väter geworden sind oder in den befürchteten "homosexuellen Lifestyle" zurückgefallen sind ist uninteressant. Für Bussee stellte sich auch irgendwann einmal diese Frage, was aus den ehemaligen Exgay-Mitgliedern wurde. Soweit er mitbekam ist er froh, dass es bei den allermeisten eine gute Entwicklung gegeben habe durch Selbstannahme der Homosexualität. Manche bedankten sich sogar später bei ihm für die Möglichkeit, die ihnen Exodus geboten hatte, zu sich selbst zu finden und sich anzunehmen wie sie sind.

"Als die Teilnehmer unser Programm verließen verschwanden sie einfach"

Exodus spricht sich deutlich gegen Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben aus, im selben Atemzug solle aber Homosexualität nicht kriminalisiert werden - ein absurder Widerspruch. Der Grund liegt in dem Denken, dass die Gleichberechtigung ein Hindernis für Ex-Gays werden könnte, für die eine homosexuelle Beziehung etwas unnormales darstellt.

"Gesetzliche Ungleichheit ist gut solange sie Menschen als Ex-Gays überzeugt"

Es gibt in Exgay-Gruppen nur zwei estrebenswerte Ziele: eine heterosexuelle Partnerschaft oder das Zölibat. Für Bussee war das Zölibat nie eine Option. Nach 2 Jahren als Exgay-Leiter musste er mitansehen, wie die Teilnehmer mehr und mehr depressiver wurden. Die Niedergeschlagenheit und selbstzerstörerische Wirkung der Teilnehmer machte auf ihn einen furchtbaren Eindruck. Er wusste, dass es ihm nicht anders ging, dass sich keine heterosexuellen Gefühle einstellen wollten, aber man durfte nicht ausbrechen: entweder war man ein Christ oder man war es nicht, dann war man schwul. Einer der Teilnehmer wurde nach einer enthaltsamen Zeit sehr selbstschädigend. Viele hassten sich immer mehr, die Schuldgefühle waren riesengroß. Man wollte aber errettet bleiben.

"Das Zölibat und das Eingeständnis, dass sich nichts ändert"

Bussee berichtet, dass er zwar viel von Veränderungen unter den Teilnehmern erfahren hatte, aber niemals einen Teilnehmer getroffen hatte, der tatsächlich heterosexuell geworden wäre.

"Ich sah niemanden unserer Teilnehmer, der heterosexuell geworden wäre"

Wenn Ex-Gays (Männer) eine Frau heiraten wird das als Beweis angesehen, dass ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt sind. Michael Bussee heiratete nach viel Überzeugungsarbeit dann auch - und steckte in einem Dilemma, als Aushängeschild zu posieren und gleichzeitig privat von solchen Entscheidungen abzuraten, da er keine heterosexuellen Gefühle hatte. Und das, obwohl Exgays fest daran glauben, von Gott für ihren mutigen Schritt zur Ehe belohnt zu werden.

"Heiraten als Vertrauensvorschuss"

Kaum jemand unter Exodus konnte zolibatär leben. Während eines Treffens mit einem anderen Exodus-Leiter erkannte Michael Bussee, dass sein Verhalten psychologisch und geistig immer mehr Konflikte schuf. Keiner veränderte sich wirklich nachhaltig. Stattdessen wurde Bussee immer wieder Zeuge davon, wie seine Mitstreiter ihren sexuellen Frust durch homosexuelle Pornographie bezwangen.

Wir alle mühten uns leise ab während wir Veränderung versprachen"

Eine schlimme Erfahrung waren die Jugendlichen, nicht einmal 18 Jahre alt, die von ihren Eltern aus dem Haus geworfen wurden mit der Androhung, sich entweder von ihrem Schwulsein heilen zu lassen oder nie wieder zurückzukommen. Auch heute noch passieren solche tragischen Vorfälle, wo Eltern ihre homosexuellen Kinder verstoßen.

"Am Ende landeten die schwulen Kids an unserer Haustür"

Unterstützer der Ex-Gay-Programme glauben nicht daran, dass deren Arbeit gefährlich sein könnte und Menschen schwer schaden könnte. Sie sehen es vielmehr als einen Dienst für Gott an, Menschen dazu zu bewegen, sich einer Umpoltherapie anzuschließen. Eine lebensbedrohende Auswirkung scheint die Umpolarbeit für sie nicht zu haben. Bussee stellt aber klar, dass die Botschaft von Exodus sehr deutlich sei: Der Homosexuelle ist krank, seelisch zerbrochen, hat einen Schaden, und ihm muss geholfen werden wieder gesund zu werden, ansonsten drohe die ewige Trennung von Gott. Diese ganze Botschaft ist zerstörerisch. Viele bemerken diese Gefahr erst sehr spät.

"Der Schaden, der Umpoltherapien anhängt"


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