Dienstag, 9. Juni 2009

Nach dem Marburger Kongress

Der umstrittene Seelsorgekongress der APS in der Marburger Uni ist vorüber. Allerdings werden die Streitereien rund um den Kongress Spuren hinterlassen: auf der einen Seite bei den (vornehmlich evangelikalen) Christen, die sich vermeintlich in einer beispiellosen Opferrolle wiederfinden, in welcher ihr Recht auf eine freie Meinung durch eine bös agitierende "Homolobby" nur durch Polizeischutz gewährleistet werden konnte. Wenig glücklicher sieht es auf der anderen Seite aus: Homosexuelle, Psychologen und Politiker sehen durch die erfolgreich durchgeführten Vorträge von den kritisierten Vertretern der ExGay-Bewegung in Deutschland (Vonholdt, Hoffmann, Gerlach) einen Erfolg für die ExGay-Bewegung schlechthin, die verunsicherte Homosexuelle dazu ermuntert, durch Reparativtherapie in ein heterosexuelles Muster umgepolt werden zu können - mit oftmals katastrophalen Konsequenzen. Doch der Streit hatte unter dem Strich auch etwas gutes:
  • Selten wurde das Thema Christsein und Homosexualität so sehr in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit gebracht wie in den letzten Tagen. Jeder konnte dabei die tiefen Gräben feststellen, die sich durch die Gesellschaft von Evangelikalen und Liberalen ziehen. Diese Feststellung ist auch für eine positive Veränderung grundsätzlich notwendig.
  • Auf jeder Seite wurde endlich einmal klar ausgesagt, wo der Schuh drückt. So hat z.B. Gabriely Kuby, eine der Unterstützerinnen des Kongresses, sich in ihrem Artikel "Sexueller Totalitarismus" grundsätzlich gegen Homosexuelle gewandt ("bei Homosexualität geht es um eine ethische Bewertung von Verhalten, also welchen Gebrauch der Mensch von seiner Willensfreiheit im Bereich der Sexualität macht") und kriminalisiert Homosexuelle zu "Gesinnungsterroristen", die nichts anderes im Schilde führten als ihre "Perversionen" mit allen Mitteln zu legalisieren - und spricht somit vielen Homophobikern direkt aus der Seele. Dass Texte wie dieser auf unwissenschaftlichen Vorurteilen basieren und jeglicher Grundlage entbehren interessiert dann kaum noch. Aber auch Ärzteschaft und professionelle Fachkräfte hatten Gelegenheit, auf Unwissenschaftlichkeit und Lebensgefahren der Exgay-Bewegung hinzuweisen. Deutlicher kann vor den Gefahren, die von Wuestenstrom und "Offensive Junger Christen" ausgehen können, kaum noch gewarnt werden. Jeder kann so selbst entscheiden, wie verantwortungtsvoll er mit seinem Leben umgehen möchte.
  • Während evangelikale Christen sich einer beispiellosen Kampagne "linker Fundamentalisten" ausgesetzt sehen, die sich mit allen Mitteln gegen scheinbar christliche Werte stellen würden, sind viele Homosexuelle entsetzt über den rechtsnationalen Ruck, den viele Evangelikale bereit sind zu gehen, wenn es darum geht, homosexuell orientierte Menschen zu schaden.
  • Die Frage, die weiterhin im Raum bleibt, lautet: was ist "Hilfe" wirklich für Homosexuelle? Ist es Hilfe, sie in ihren Ängsten vor ihrer eigenen sexuellen Identität zu unterstützen, um sie zu umpolenden Maßnahmen zu motivieren (und andere Homosexuelle automatisch in christlichen Kreisen als "krank" und "bemitleidenswert" zu stigmatisieren und auszugrenzen) - oder ist es Hilfe, Menschen behutsam zu dem zu führen, was sie sind: ihrem Menschsein, all dem, was sie als Ganzes ausmacht. Die Exgay-Bewegung beharrt darauf, "homosexuelle Neigungen" abgewöhnen zu können, weil von einer homosexuellen Identität einfach nicht ausgegangen werden kann. Professionelle Ärzte allerdings stärken die Menschen in ihrem Selbst und haben die Tage wieder viele Gründe feststellen können, der Exgay-Bewegung kritisch entgegenzutreten. Sie wissen, dass ein Großteil der Exgay-Klienten aus ihrer "seelsorgerliche Therapie" aussteigen und von ihrer christlichen Bewegung dann fallengelassen werden.
Rund 1000 Menschen haben gegen den evangelikalen Kongress in Marburg demonstriert. Teile der Demonstranten richteten ihren Protest dabei auch gegen jegliche Art von fundamentalistischem Christentum, was die provokanten Darstellungen der Demo (z.B. ein gekreuzigtes Schwein) darstellen sollten. Mit solcherlei drastischen Mitteln dürften sich auch die liberalsten Christen gekränkt fühlen. Die Vereinigung "Homosexuelle und Kirche" (HuK) rief daher zu Fairness und Besonnenheit auf beiden Seiten auf.

Beitrag vom Hessischen Rundfunk:


Beitrag von 3sat:


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Dieser Text stand in dem letzten WillowNews-Newsletter vom Juni von Willow Creek Deutschland.
Ich wollte eigentlich das per E-Mail zukommen lassen, fand aber keine Kontaktinfos:

"Liebe Freunde,

Polizei-Großeinsatz in der Marburger Innenstadt. Es gilt einen christlichen Kongress zu schützen. Die Stimmung ist hochgekocht. Für die Medien spielte größtenteils keine Rolle, ob die Vorwürfe, die gegen den Kongress erhoben wurden, stichhaltig sind oder nicht. Auch nach der zigsten Klarstellung schrieben Journlisten weiterhin fröhlich von dem "Homoheiler-Kongress", der in Wirklichkeit keiner war.

Der Mob macht mobil gegen die christlichen Fundis. Und viele christliche Kommentatoren schütteln bedenklich ihr Haupt - sehen schon die drohende Christenverfolgung vor der Tür.

Klar ist: Die Medien lieben die Sensation - und da scheint mancher Redakteur lieber nicht zu genau hinschauen zu wollen.

Aber was hat eigentlich dazu geführt, dass die Gesellschaft Angst vor den "Evangelikalen" hat?Warum stehen wir eher im Verdacht, Menschen "umpolen" zu wollen, als Menschen bedingungslos zu lieben?

Es gab eine Zeit, da war die Gemeinde Jesu in der Gesellschaft für ihre Liebe bekannt. Da wußte man: Wer dort hingeht, der findet tätige Nächstenliebe und bedingungslose Annahme.

Die beste Antwort auf die Hetzparolen der letzten Wochen ist, zu diesem Bild von Gemeinde zurückzukehren.

Herzliche Grüße aus Gießen - und verlieren Sie nicht den Mut!


Ihr Jörg Ahlbrecht und das Willow Creek Deutschland Team"