Dienstag, 28. April 2009

Marburger Kongress: Wissenschaft versus Meinungsvielfalt

Auf dem evangelikal orientierten Psychiater-kongress in der Marburger Uni im Mai werden Vertreter der deutschen Exgay-Bewegung erwartet, unter anderem Markus Hoffmann von der Exgay-Organisation Wüstenstrom und Christl Vonholdt von der Offensive Junger Christen (DIJG). Beide sind in Deutschland längst keine Unbekannten mehr: Im Jahr 2007 wurde Hoffmanns angekündigtes Homoheilungsseminar auf einem internationalen Kongress in der Universität Graz nach massiven Protesten von weltweiten Ärzteverbänden abgesagt, und Vonholdt publiziert seit Jahren homophobe Publikationen, in denen Homosexualität stets als psychosexuelle Krankheit dargestellt wird, die es zu heilen gilt. Ihr geplantes Seminar auf dem Christival 2008 wurde abgesagt. Die Sorge, in den Räumen der Universität Marburg unterschwellig homophobes Gedankengut verbreitet zu wissen, wird von mehreren Gruppen geteilt, z.B. von SPD, Grünen, FDP, dem Vorsitzenden der FH Frankfurt, der AStA der Uni Trier und nicht zuletzt vom Berufsverband Deutscher Fachärzte Für Psychiatrie und Psychotherapie, die sich in einer aktuellen Stellungnahme zu Konversionstherapien äußern:
Die wissenschaftliche Forschung hat in den letzten 30 Jahren einen enormen Erkenntniszuwachs bezüglich Entstehung, Diagnostik, Verlauf und Therapie psychischer Störungen erbracht.
Der Berufsverband deutscher Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie nimmt deshalb zur öffentlichen Diskussion um „Konversionstherapien“ oder „reparative Therapien“ bei Homosexualität wie folgt Stellung:

• Homosexualität ist keine Krankheit, sondern eine häufige Form menschlichen Zusammenlebens und bedarf keiner Therapie
• Der Ausdruck „reparative Therapie“ suggeriert fälschlicherweise eine vorherige Fehlfunktion, die korrigiert werden soll
• Psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlungsansätze sind nicht die Homosexualität als solche, sondern die Konflikte, die mit der Homosexualität in Verbindung mit religiösen, gesellschaftlichen und internalisierten Normen entstehen
• Therapeutische Ziele sind in erster Linie die Prävention psychiatrischer Folgeerkrankungen wie Depressivität und Suizidalität sowie die Stabilisierung des Selbstbildes unter Berücksichtigung der individuellen Lebensumstände und der Bedürfnisse des Betroffenen und seiner Familie.
• Haben homosexuell lebende Menschen psychische Erkrankungen, so sind diese unabhängig von der Homosexualität zu diagnostizieren und zu behandeln. Der Homosexualität kommt in diesem Fall die Bedeutung eines Kontextfaktors zu.

Der Kongressveranstalter sieht sich unterdessen nicht veranlasst, auf die Forderungen von Politik, Wissenschaftsverbänden und Betroffenengruppen einzugehen. Die Seminare sollen wie geplant durchgeführt werden. Stattdessen fühlen sich insbesondere Vertreter der evangelikalen Bewegung in Deutschland durch die Kritik am Kongress angegriffen. So hat der christliche Newsblog MEDRUM am 20.4. eine eigene Unterschriftenliste mit über 400 Unterzeichnern veröffentlicht, die an der Aktion "Für Freiheit und Selbstbestimmung" teilgenommen haben. In dieser Aktion geht es laut Medrum darum, die Rede- und Therapiefreiheit auf dem Kongress nicht einschränken zu lassen, ein uneingeschränkter fachlicher Dialog müsse erlaubt bleiben. Zu den Erstunterzeichnern gehören unter anderem Gabriele Kuby, Robert Spaemann, der Salzburger Weihbischof Andreas Laun, CDU Bundestagsabgeordneter Norbert Geis, Fraktionsvorsitzender CDU Marburg Philipp Stompfe, die rechtsextreme Regina Wilden, und die Kölner Professorin Edith Düsing, deren Unterschrift in Köln einen Sturm der Entrüstung ausgelöst hat. Auch die Liebenzeller Mission unterstützt diese Aktion.
Der Ärger geht aber noch weiter: nun hat die Marburger CDU ihrerseits einen Antrag gestellt, den Kongress wie geplant durchführen zu lassen. Zwischen Volker Beck (Grüne) und Norbert Geis (CDU) schaukeln sich die Emotionen hoch.
Einen hoffnungsvollen Schritt wagten der Kongressveranstalter APS und der Lesben- und Schwulenverband Deutschland, die sich am gestrigen 13. Mai in Frankfurt zu einem Gesprächsaustausch trafen, allerdings ohne Ergebnis: Hoffmann und Vonholdt sollen wie geplant ihre Seminare abhalten dürfen, dafür bürgt die APS dafür, Konversionstherapien definitiv ablehnened gegenüberzustehen. Damit widerspricht sich die APS zum Schluss selbst, seither kann man davon überzeugt sein, dass der Kongress tatsächlich ein "Homoheiler-Kongress" werden wird.

Das Autonome Lesben- und Schwulenreferat der Uni Köln hat nun ihrerseits eine Unterschriftenliste gestartet nach dem Motto "Für Akzeptanz und Gleichberechtigung":
Der Erklärung „Für Freiheit und Selbstbestimmung“ des Forums „Medrum“ wird nun die Gegenerklärung „Für Akzeptanz und Gleichberechtigung“ - verfasst durch das Autonome Lesben- und Schwulenreferat an der Uni Köln (LUSK) - entgegengesetzt. Die Erklärung des Forums „Medrum“ wie Ihre Unterzeichner sind seit letzter Woche durch den diskriminierenden Inhalt in der Öffentlichkeit stark in Kritik geraten. In der Gegenerklärung „Für Akzeptanz und Gleichberechtigung“ werden die homophoben Thesen und Argumentationslinien aufgezeigt und richtiggestellt...

Mittlerweile wird die Angst vor Randalierern an den Kongresstagen immer größer. Umpolungs-Befürworter sprechen von "Meinungsterror" und sehen ihre Redefreiheit in Gefahr.

Kommentiert:
Süddeutsche Zeitung: 'Homoheiler' im Hörsaal
Oberhessische Presse: Reaktionen auf Therapeuten-Kongress
Evangelischer Pressedienst: Wirbel um evangelikalen Kongress
StevenMilverton: Marburger Topics
GayWest: Marburger Topics

Sonntag, 19. April 2009

hr: Wüstenstrom erneut im Fernsehen

Anlässlich des skandalträchtigen Kongresses Ende Mai in Marburg berichtet der Hessische Rundfunk in der Sendung "Defacto" heute erneut von der Exgay-Organisation Wüstenstrom:
Der christliche Verein „Wüstenstrom“ glaubt, Homosexualität „heilen“ zu können. Auf seiner Homepage lädt der kirchenunabhängige Verein den Besucher ein: „Wenn Sie Fragen zum Bereich Identität oder Sexualität haben, würden wir uns freuen, Ihnen durch unser Beratungs-, Seminar-, Selbsthilfe- oder Fortbildungsangebot weiterhelfen zu können.“ So auch Andreas. Er suchte die Hilfe bei „Wüstenstrom“ und ging als gebrochener Mensch wieder heraus. Wissenschaftler warnen vor fahrlässigem Umgang mit Hilfebedürftigen – besonders wenn es sich um unqualifiziertes Personal handele. Etwa Markus Hoffmann, seines Zeichens Sozialarbeiter und Mitarbeiter des Vereins Wüstenstrom. Ausgerechnet Markus Hoffmann ist nun als Referent auf dem Internationalen Kongress für Psychotherapie und Seelsorge eingeladen, der vom 20. bis 24. Mai in der Marburger Uni und Stadthalle stattfinden soll. SPD und Grüne laufen nun Sturm und verlangen von der Stadt Marburg und der Universität, sich von den umstrittenen Referenten zu distanzieren.

Desweiteren berichtet der
Tagesspiegel von weiteren wissenschaftlichen Vereinen, die sich der Forderung des LSVD anschließen, diskriminierenden Rednern in den Räumlichkeiten der Universität kein Podium zu bieten: "Unis sollten Quacksalber nicht fördern".


Samstag, 18. April 2009

Marburger Psychotherapiekongress wird skandalträchtig

Mittlerweile berichten die unterschiedlichsten Medien über den 6. Internationalen Kongress für Psychotherapie und Seelsorge in Marburg. Grund ist wie bereits schon angekündigt der Auftritt verschiedener Vertreter der deutschen ExGay-Bewegung in der Marburger Uni, in der der Kongress abgehalten werden soll. Schnell wurde seitens des Deutschen Lesben- und Schwulenverbandes Kritik laut, "pseudowissenschaftlichen Homoheilern" würde ein Forum auf Kosten des Steuerzahlers geboten, insbesondere anstößig werden die Seminare von Markus Hoffmann (Wüstenstrom), Christl Ruth Vonholdt (Deutsches Institut für Jugend und Gesellschaft / Offensive Junger Christen) und Michael Gerlach aufgefasst, die schon in der Vergangenheit für homophobe Äußerungen und Werbung für Umpolungsmöglichkeiten unerwünschter Homosexualität gesorgt hatten. So glauben diese Referenten, Homosexualität sei eine unerwünschte krankhafte Fehlentwicklung, die es zu heilen gelte. Der Kongressveranstalter wiederum widerspricht den Anschuldigungen, homophoben Gastrednern ein Podium zu bieten. Es ginge bei der Veranstaltung nicht um das Thema Homosexualität, sondern um das Thema Identität, so die Entgegnung, die aber irgendwie nicht greifen mag. Deshalb haben sich nun auch GRÜNE und SPD eingeschaltet, auch Marburgs OB Vaupel mag sich von den strittigen Seminaren distanzieren. Die Universitätsleitung, die die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, sieht dennoch nach wie vor keinen Handlungsbedarf. Bei dem Veranstalter handle es sich um einen seriösen Partner, mit dem man keine negativen Erfahrungen gemacht habe. Aber auch der Verband Lesbischer Psychologinnen und Schwuler Psychologen, der Allgemeine Studentenausschuss der Universität Marburg und die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften befürchten Menschenrechtsverletzungen: „Unter dem Deckmantel der Wissenschaft vermitteln einzelne ReferentInnen ein konservatives Bild von der heterosexuellen Ehe als einzigem Lebensmodell und stigmatisieren Homosexualität als krankhaft und nicht erwünscht.“ Deshalb auch hat sich recht spontan ein "Bündnis gegen Sexismus, Homophobie und Religiösen Fundamentalismus" gebildet.
Mittlerweile berichten auch der Hessische Rundfunk, Der Spiegel, Die Welt und die taz über den Kongress. Den Beitrag des hr gibt es hier zu sehen:



Stellungnahme Autonomes Schwulenreferat Marburg (PDF)
Kommentiert: TheGayDissenter - Die Homo-Heiler, Das Schwulenheilen muss man doch wenigstens versuchen dürfen!

Dienstag, 7. April 2009

TIMM: Homosexuelle bei ProChrist unerwünscht

Auf der evangelikalen Missionsveranstaltung ProChrist sind Homosexuelle unerwünscht - egal ob sie Christen sind oder nicht. Das berichtete gestern der TV-Sender TIMM. Schwule und Lesben würden in Chemnitz von der ProChrist-Veranstaltung explizit ausgeschlossen werden. Der evangelikale ProChrist-Prediger Ulrich Parzany wird zitiert: "Praktizierte Homosexualität ist eine schöpfungswidrige Anomalie, das Christentum ist die einzige Erlösung". ProChrist verstößt Schwule und Lesben, nachzusehen auf TIMM.

Kommentiert: TheGayDissenter - Im Auftrag des Schöpfers gegen die Schöpfung