Dienstag, 19. Oktober 2010

Ex-Gay-Survivor in einem Rückblick

Peterson Toscano beschreibt in einer aktuellen Rückschau den Wandel vieler früherer Leiter der internationalen Ex-Gay-Bewegung, und zeigt eindrucksvoll auf, wie die Wahrheit mehr und mehr Menschen von der Ideologie der Ex-Gay-Bewegung freigemacht hat - und wie nach wie vor viele Leiter in der Bewegung festhängen, die sich nicht trauen, ihrerseits Schritte in die Freiheit zu gehen:
Ich habe verfolgen können, wie einige frühere Ex-Gay-Leiter diese Schritte unternahmen und sich veränderten. Ich bewundere Leute wie Jeremy Marks, Darlene Bogle, Anthony Venn-Brown, die sich jahrelang darum bemühen, den Schaden rückgängig zu machen, den sie als ehemalige Leiter der Ex-Gay-Bewegung verursacht haben. Andere wie Michael Bussee haben auch begonnen, sich öffentlich über die Schädlichkeit der Ex-Gay-Therapie auszusprechen.
Warren Throckmorton, der einst mit einem Video für die Idee der Konversionstherapie geworben hatte fing an, sich kritisch über die Ex-Gay-Bewegung und die extremeren Formen dieser Therapie zu äußern.

Den vollständigen Artikel hier lesen (englisch):
Peterson Toscano - Hot Sticky Ex-Gay Action

Sonntag, 17. Oktober 2010

die christliche Kunst, Hass als Liebe zu verkaufen

Tanya Erzen (Autorin von Straight To Jesus) beleuchtet in ihrer neuesten Veröffentlichung hinsichtlich der neuen Selbstmordserie homosexueller Jugendlicher in Amerika die Frage, inwieweit Religion und das Umfeld der christlichen Kirchen für diese Taten mitverantwortlich ist.

Es sei ein leichtes, das Verhalten offen homophober Kirchen zu verurteilen, aber die subtile und schädliche Rethorik von christlichen Organisationen, jungen Menschen zu raten, ihre Sexualität von Homo zu Hetero zu verändern, sei noch viel beunruhigender. In Amerika tut sich "Exodus Youth" besonders hervor, ein Zweig des Dachverbandes weltweiter Umpolungsverbände. Sie propagieren in ihren Schriften, dass homosexuelle Jugendliche in ihrer Entwicklungsphase lediglich mit gleichgeschlechtlicher Anziehung ("SSA") zu tun hätten, einer vorübergehenden Krankheit, die mit Beratung und Gebet in den Griff zu bekommen sei.
Auf deren Website bietet Exodus Youth “Resourcen an, sich um fragende Jugendliche zu kümmern, die ursächlichen Wurzeln der Homosexualität zu verstehen und zu behandeln, um als Kirche die Homosexuellen zu adressieren, und die unwahre Pro-Gay-Theologie zu konfrontieren”. Die Prämisse von Exodus lautet, dass sich Jugendliche ändern müssten, und dass deren Sexualität lediglich eine Erkrankung, eine Sucht oder eine falsche Identität sei.

Ein kürzliches Posting auf der Exodus Youth-Website zeigt beispielhaft auf, wie die wahre Ex-Gay-Haltung unter dem Deckmantel der Liebe und des Mitgefühls verschleiert wird:
"Tragischer Verlust: Genug ist genug!" titelt Chris Stump und schreibt über die Selbstmordserie der Jugendlichen: 'Umgebt diejenigen, die angegriffen wurden, mit Wahrheit, Liebe, Güte und Mitgefühl, nicht mit Verurteilung, Hass und Täuschung. Wir müssen Auferbauer der Zerbrochenen und der Missbrauchten sein. Es ist meine Hoffnung, dass wir einen Schritt wegtun von der Selbstgefälligkeit und diejenigen mit Leben erfüllen, die ständig niedergedrückt werden.' Unter diesem Posting erscheint Stumps Rezension eines bekannten Ex-Gay-Buches mit dem Titel "Du musst nicht homosexuell sein" von Jeff Konrad, das er als ein 'aufschlussreiches Buch für Männer im Kampf mit der Homosexualität' beschreibt.


Auf den ersten Blick scheint die Botschaft von Exodus Youth nichts anderes als Liebe und Ermutigung auszudrücken. Ist es die Botschaft, homosexuelle Jugendliche zu akzeptieren und aufzunehmen? Nein, das ist sie eben nicht. Exodus Youth möchte Gemeinden und Kirchen helfen, Jugendliche davon abzuhalten, sich als homosexuell zu identifizieren. Sie unterstützen Megakirchen wie Vineyard oder Calvary, homosexuelle Jugendliche nach außen hin zu lieben und zu unterstützen, in Wahrheit aber durch subtile Rethorik deren Sexualität als unvereinbar mit dem Glauben zu geißeln.
Die Vorstellung über Homosexualität in den Kirchen ist ein direktes Erbe der ExGay-Bewegung, die schon immer das Ziel hatte, den offenen Umgang zwischen religiösen Einrichtungen und den Menschen umzuformen, die sich als schwul, lesbisch, bi, trans oder queer outen. Love Won Out-Konferenzen, die von Focus On The Family gesponsort werden, sind gedacht, um konservative Christen in Kirchen und politischen Organisationen zu erreichen, die sonst wohl nie über Homosexualität nachgedacht hätten. Ihr Ziel ist, Empfehlungsnetzwerke aufzubauen zwischen den Kirchen und den ExGay-Organisationen. Wenn sich ein junger Mensch einem Pastor oder einem religiösen Leiter anvertraut, dass er homosexuell ist, wird die Kirche ihn sofort an eine ExGay-Organisation verweisen und ihn dazu ermutigen, sich zu verändern. Ich kannte einen Mann in einer Gemeinde, der mit 16 Jahren zum Pastor ging, "weil er schwul sei und sich verändern wollte", im Wissen dass sein religiöses Umfeld ihn sonst nie akzeptieren würde.

Mittlerweile zielt Exodus und Focus On The Family auf die Jugend in den Gemeinden ab. Den fragenden und zweifelnden homosexuellen Jugendlichen soll mit stylischen Auftritten in den Gemeinden aufgezeigt werden, dass ihre gleichgeschlechtlichen Gefühle nichts mit Identität zu tun hätten, sondern nur ein momentaner Zustand seien. Pastoren sollen als verantwortungsvolle Ansprechpartner eingesetzt werden, die diesen Jugendlichen mit einem "mitfühlenden Herz" mit Rat und Tat zur Seite stünden, damit die Kirche der erste Ort werden könne, wohin sich homosexuelle Jugendliche mit ihren Fragen wenden können. Homosexuelle Jugendliche sollen so "die Gnade und erlösende Kraft Christi im Bereich der Sexualität" erfahren können.
Ich kannte einen Mann, der sich das Leben nahm, nachdem er jahrelang erfolglos versuchte, seine Sexualität durch eine ExGay-Organisation zu verändern. Die Ideologie der "Hoffnung auf Heilung" und "Freiwerden von Homosexualität", die religiöse Organisationen, Familien und soziale Gemeinschaftsverbände propagieren, gräbt sich sehr tief ein und ist sehr mächtig. Selbst frühere Männer und Frauen dieser ExGay-Bewegung, die ich traf, die später ausstiegen und sich heute als homosexuell definieren, leiden heute noch unter den Auswirkungen. Egal wieviel Zeit inzwischen verging, ihre Erfahrungen als junge Menschen in diesen Kirchen, ihr Glauben an ihre Erziehung und ihre gleichgeschlechtlichen Gefühle waren immer noch spürbar unvereinbar.

Exodus Youth und deren Anhänger ignorieren die Wahrheit, dass ihre Organisation die heimtückischen Formen des Hasses unterstützt, die in die Sprache des Mitgefühls eingehüllt sind. Religiöse Organisationen sollten sich gewissenhaft fragen, welche Art von Mitgefühl sie ihren homosexuellen Mitgliedern ihrer Gemeinden vermitteln wollen. "Ich trauere um diese jungen Leben, die so plötzlich beendet wurden. Ich trauere um die Eltern, die ihre Kinder liebten und ihnen beistanden, wissend was sie täglich in der Schule durchmachen mussten", schreibt Chris Stump. Seine Trauer klingt wie hohle Phrasen, bedenkt man dass er für Exodus arbeitet.

In Deutschland ist das Weiße Kreuz bemüht, Kirchen und ExGay-Organisationen zu vernetzen. Homosexuelle werden von dort an die Organisation Wüstenstrom weitervermittelt. Das Weiße Kreuz verbreitet über die "Offensive Junger Christen" (DIJG) in Deutschland die gefährlichen ideologischen Resourcen aus Amerika, die Homosexuellen erst zur Veränderung ihrer Sexualität ermuntern sollen, um sie so akzeptiert zu wissen.

Eine andere prominente Figur erlaubte sich ebenso Kritik an der ExGay-Bewegung in Amerika: vor einer Woche sprach der evangelikale Baptistenleiter Tony Campalo auf einer Veranstaltung der kanadischen Organisation "
New Direction" in Oakville (Ontario): Die Theorie des abwesenden Vaters sei mit das Dümmste, was er je gehört hätte. In Verweis auf Statistiken über Singlehaushalte müsste demnach Camden, New Jersey, die Schwulenhauptstadt der Welt sein. Er fügte hinzu, dass selbst ohne genetische oder angeborene Ursachen die Homosexualität keine Wahl sei.

Campalo verurteilte die Reparativtherapie der ExGay-Bewegung mit den Worten:
Veränderung der sexuellen Orientierung sei nicht gänzlich ausgeschlossen, aber sehr, sehr, sehr, sehr, selten.

Die meisten der Ex-Gays, die er erlebte, wären nach fünf bis sechs Jahren in ihrem Veränderungsprozess eingeknickt, weil sie sich "selbst etwas vormachten aufgrund des gesellschaftlichen Drucks ihrer Familien und Freunde".


Artikel: religiondispatches - “Ex-Gay” is Anti-Gay, Disguised as Compassion
ExGayWatch - Tony Campolo in Canada: Gays, Ex-Gays, Rights and Wrongs

Kommentiert: queeried - How Exodus Youth turned a book review into a homophobic dangerous speech
ExGayWatch - New Direction Ministry's Generous Space: Discussion Thread
queer.de - Video: Hillary Clinton und Google machen schwulen Teens Mut
queer.de - Obama verspricht schwulen Jugendlichen: 'It Gets Better'

Projekt: It Gets Better - Hunderte von Videobotschaften gegen Teenager- Mobbing