Vom 30.4. bis 4.5. fand in Bremen eines der größten deutschsprachigen christlichen Jugendfestivals statt. Bis zu 20.000 meist konservativ geprägte junge Christen feierten, worshippten und beteten gemeinsam auf dem fünften Christival. Dazu gab es verschiedene Seminarangebote zu Themen wie etwa Glaube, Bibel, Jugendarbeit - und eben auch drei umstrittene Seminare. Eines der umstrittenen Seminare lautete Homosexualität verstehen – Chance zur Veränderung, das vom DIJG angeboten wurde. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, wurde hellhörig, informierte sich und schlug Alarm. Das DIJG (Teil des Vereins OJC), bekannt für ihre pseudowissenschaftlichen und homophoben (d.h. menschenverachtenden) Publikationen, arbeitet mit der christlichen Organisation Wüstenstrom zusammen, das über die Jahre wegen der Anschuldigung, seinen Klienten mehr zu schaden als zu helfen, in Verruf geraten ist. Volker Beck hatte Gründe für seine Handlung: Das Familienministerium der Bundesregierung unter Bundesfamilienministerin Von der Leyen unterstützte das Christival mit 250.000 €. Das Familienministerium wusste im Detail nichts von diesem Seminar und ließ den "gefährlichen Psychokurs" absagen. Inhaltlich bezog die Bundesregierung klar Stellung: Homosexualität bedürfe nach dem Stand der Wissenschaft weder einer Therapie noch sei sie einer Therapie zugänglich. „Konversions-“ oder „Reparationstherapien“ würden von der Fachwelt weitestgehend abgelehnt. Aus allen Bundestagsfraktionen stellten sich Politiker öffentlich hinter die Intervention der Bundesregierung.
Während die Leitung des "totalen Superglaubenfests" bemüht war, den Imageschaden in Grenzen zu halten (man wollte sich übrigens inhaltlich nicht von dem angebotenen Seminar distanzieren), schwappten die Wogen auf die Öffentlichkeit über. Verschiedene Medien berichteten negativ platt über das Christival und deren scheinbar unwissenschaftlichen Seminare. Dadurch wurde eine ganz neue Diskussion über Christen und deren Umgang mit Homosexuellen entfacht. Homosexuelle Aktivisten fühlten sich durch das Christival in ein schlechtes Licht gedrängt, während aufgebrachte Christen wiederum ihre Entscheidungsfreiheit und Glaubensfreiheit angegriffen sahen. Der Tenor der Homosexuellen: 'Ihr verbreitet menschenverachtende Werte!'. Der Tenor der Christen wiederum: 'Wir werden in unserer Ausübung des Glaubens angegriffen von bösen Menschen, die uns sogar unsere guten Werte wegnehmen wollen!'. Manche machten ernst: So bildeten sich relativ kurzfristig zwei Christival-Gegengruppen, die zum Christivalstart mit Protestaktionen mobil machten. Erst wurde die Christival-Homepage gehackt, später mussten Polizisten zum Schutz der Christival-Teilnehmer ausrücken.
Interessant, bei der ganzen aufgeheizten Diskussion war festzustellen, wie hasserfüllt beide Seiten um ihre Richtigkeit wettern konnten. Die Öffentlichkeit hat wohl zum ersten mal richtig deutlich erfahren müssen, wie Homosexuelle von seitens evangelikaler Christen wie selbstverständlich behandelt werden - nämlich oft gnadenlos menschenverachtend. Und gleichzeitig durfte man sich über die Protestaktionen wundern, die gegen das Christival gerichtet waren - und das obwohl das Christival als solches ein friedliches und gutes Festival ist, das nicht an Kriegserklärungen interessiert ist. Natürlich ist der Schaden da, das Image der Landeskirche und der allgemeinen Christenheit schwindet nach wie vor in Deutschland, das liegt aber eben auch daran, weil bis heute nie ernsthaft versucht worden ist, Homosexuelle oder ähnliche ihrer Ansicht nach problematischen Fälle so zu sehen wie sie sind: als Menschen, die legitime Bedürfnisse haben, und es lohnt sich immer, sich diesen im ernsthaften Dialog zu stellen. Besonders für Christen, die homosexuell empfinden wäre es ein Fortschritt raus aus dem "finsteren Mittelalter".
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